Die Kritik war groß, als der Porsche Cayenne vor zwei Jahrzehnten auf den Markt kam: Er verwässere den Kern der Marke, passe nicht zu Porsche. Doch sein Beitrag zum Überleben von Porsche ist nicht mehr wegzudenken: Mit einem 30-Prozent-Anteil an verkauften Porsche-Modellen ist er einer der Hauptverdiener der Marke. Seit 2002 wurden rund 1,25 Millionen Cayenne verkauft.
Und deshalb wollen die Zuffenhausener an seinem Rezept auch nichts ändern. Das jetzt vorgestellte Facelift ist zwar eines der umfangreichsten, am Konzept des Fahrzeugs ändert sich aber nichts. Irgendwann wird es, falls sich die politischen Vorgaben nicht noch ändern, einen vollelektrischen Cayenne geben, deutlich nach dem entsprechenden Macan. Doch bis dahin bleibt der Cayenne, was er ist.
Allerdings mit kleinen Abstrichen. Die eigentlich geplanten Sechs- und Achtzylinder-Diesel waren schon bei Einführung der dritten Modellgeneration gestrichen worden, und in Europa fällt jetzt auch das faszinierende Spitzenmodell Cayenne Turbo GT aus dem Programm. Es liegt an den Abgasnormen: Eine Anpassung wäre technisch lösbar gewesen, aber bei der zu geringen Stückzahl zu teuer geworden. Da konzentriert man sich lieber auf Märkte in Amerika, Asien und im Nahen Osten, wo man derartige Modelle eher zu schätzen weiß.
Immerhin, so Sprecher Ben Weinberger, kämpft Porsche weiter für den Achtzylinder in den anderen Varianten. Das Vierliter-Aggregat ist im Kern das gleiche, wurde aber auf kommende Emissionsvorschriften weiterentwickelt. So arbeitet das elektrische Wastegate-Ventil jetzt deutlich schneller und präziser.
Einstiegsmodell ist der Cayenne mit 3,0-Liter-V6 und 353 PS (260 kW) Leistung. Er entfaltet die Leistung harmonisch und profiliert sich bereits mit sonorem Klang. Der Plug-in-Hybrid Cayenne E-Hybrid (Systemleistung 346 kW/470 PS) basiert auf dem gleichen Sechszylinder-Motor. Darüber liegt der Cayenne S, der von Sechs- auf Achtzylindertechnik wechselt und aus 4,0 Litern Hubraum stolze 474 PS (349 kW) schöpft. Er klingt nochmals schöner als der V6.
Der Turbo GT, dessen Revier eigentlich die Autobahn wäre, leistet 659 PS (485 kW). Er katapultiert den SUV in nur 3,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h und läuft 305 km/h schnell. Alle Motoren übertragen ihre Kraft über einen achtstufigen Wandlerautomaten auf die Straße.
Das Armaturenbrett ist nun mit den modernen Bildschirmen bestückt, die an den Taycan erinnern. Vor dem Fahrer wölbt sich ein 12,6-Zoll-Display, ganz ohne Tachohutze. Der Beifahrer kann sich optional auch über einen 10,9 Zoll Bildschirm freuen, der – um Ablenkung zu vermeiden – vom Fahrer nicht eingesehen werden kann. Der Tiptronic-Wählhebel, der in seiner manuellen Schaltgasse bislang klassischer Schaltlogik gefolgt war, ist als Schaltwippe ans Armaturenbrett gewandert, wie beim Taycan rechts neben das Lenkrad: Ein Fortschritt, mit dem sich der Cayenne von der Tradition entfernt.
Das ist aber Geschmackssache, genau wie das Interieur-Paket namens Carbon neodyme, das wir als besonders gelungen empfinden. Verarbeitung und Materialien sind hervorragend, passend zur Positionierung in der Oberklasse. Die bequemen Sitze lassen sich perfekt justieren, und die Filteranlage des Lüftungssystem wurde nochmals aufgerüstet, um Allergikern das Leben leichter zu machen.
Nicht so gut fanden wir die etwas zu flexibel wirkende Auflage der Mittelarmlehne, ein Problem, das nach Aussage von Porsche noch behoben werden soll. Und die Verkehrsschilderkennung lag immer wieder daneben; kein gutes Omen für das autonome Fahren, bei dem das Auto ja angeblich alles besser machen kann als der Mensch.
Signifikante Anpassungen gab es beim Fahrwerk. Bei der Luftfederung ist Porsche vom Dreikammer-Einventil-System auf ein Zweikammer-Zweiventil-System umgestiegen, was vor allem den Fahrkomfort verbessert. Die Stoßdämpfer verfügen nun über zwei Ventile und damit eine separate Zug- und Druckstufe. Das Stahlfahrwerk wiederum profitiert von neuen Dämpfern und erleichtert damit die Entscheidung, möglicherweise auf die Luftfederung zu verzichten.
Der Komfort ist auch deshalb besser geworden, weil Porsche die Reifenhöhe vergrößert hat. Obwohl bereits das Serienrad 20 Zoll groß ist und 21 wie 22 Zoll in der Aufpreisliste stehen, entfernt sich die Optik vom dünn bereiften „Kutschenrad“: Endlich! Sowohl auf Forstwegen als auch auf der Straße war das Fahrverhalten sicher und komfortabel zugleich. Die Spreizung zwischen Komfort- und Sport-Modi ist ungewöhnlich groß.
Ein weiterer Höhepunkt ist das neue-LED-HD-Matrixlicht, das mit 32.000 Pixel je Scheinwerfer den Gegenverkehr noch präziser ausblendet und bei einer Fahrbahnverengung die Fahrzeugbreite auf die Straße projiziert. Zudem kann es vor dem Spurwechsel die benachbarte Fahrbahn ausleuchten, und es verfügt obendrein über ein spezielles Baustellenlicht. Etwas einfachere LED-Matrix-Scheinwerfer gehören jetzt zum Standard. Die markante Vier-Punkt-Optik wurde nochmals prägnanter ausgeführt.
Generell fällt das Facelift aber erst auf den zweiten Blick auf, obwohl die ganze Front angefasst wurde, mit etwas höheren Kotflügeln sowie markanterem Frontspoiler und Haubendom.
Ganz klar: Das neue Modell, das es weiterhin mit klassischem Dach oder als viertüriges Coupé gibt, ist unverkennbar ein Cayenne geblieben, die Aufwertung ist zeitgemäß und modern. Und damit kann sich inzwischen wahrscheinlich auch jeder Purist anfreunden.
Denn der Cayenne ist zu einem echten Kernmodell der Marke geworden. Sein Preis: Ab 89.097 Euro für den Sechszylinder. (we/cen/mkn)(Foto: Autoren-Union Mobilität/Knödler)
Daten Porsche Cayenne 2023
Länge x Breite x Höhe (m): 4,93 x 1,98 x 1,70
Radstand (m): 2,90
Antrieb: 4,0-Liter-V8-Motor, Allradantrieb
Gesamtleistung: 349 kW / 474 PS bei 6000 U/min
Max. Drehmoment: 600 Nm bei 2000-5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 273 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,7 s
Durchschnittsverbrauch: 12,4 l/100 km
CO2-Emissionen: 282 g/km
Leergewicht (EU)/ Zuladung: min. 2160 kg / max. 770 kg
Preis: 107.542 Euro