Kollege Jens Meiners stellt uns den VW Atlas, ein SUV der Fünf-Meter-Klasse, die in den USA nur als „mittelgroß“ gilt, einmal vor. Hauptgegner dort: der erfolgreiche, in den USA gebaute Honda Pilot und der Ford Explorer, Platzhirsch seit über einem Vierteljahrhundert.
Mit 505 Zentimetern Länge, 198 Zentimetern Breite und 177 Zentimetern Höhe wäre der Atlas in Europa am oberen Ende der Größenskala angesiedelt – in unmittelbarer Nähe von Audi Q7 und Mercedes-Benz GLS.
Preislich hingegen stapelt dieser Volkswagen tief: Die Einstiegsvariante mit Frontantrieb und 176 kW / 238 PS starkem 2,0-Liter-Vierzylinder kostet ohne Mehrwertsteuer nur 30 500 Dollar, rund 28 600 Euro; für einen Atlas mit Allradantrieb und 3,6-Liter-VR6 mit 206 kW / 280 PS verlangt VW ab 33 700 Dollar oder 31 600 Euro. Ein Schnäppchen?
VW hat das Erfolgsrezept der US-Konkurrenz kopiert: Viel Platz und eine eindrucksvolle Optik zu erschwinglichen Preisen.
Genau das bietet auch der VW Atlas, und er profitiert obendrein von der ungemein flexiblen MQB-Architektur, die sich durch dynamische Fahrwerkskomponenten, hochmoderne Elektronik und unzählige Antriebsvariationen auszeichnet.
Genau drei davon haben die Ingenieure sich für den Atlas ausgesucht: Den sparsamen und drehmomentstarken 238-PS-Einstiegs-Vierzylinder, den es nur mit Frontantrieb gibt, und den in Europa wegen seines Trinkgebarens inzwischen verschwundenen 3,6-Liter-VR6 mit Front- und Allradantrieb. Bei allen Varianten ist eine Acht-Gang-Automatik von Aisin Serie.
Während der Vierzylinder ein kompetentes Vernunftsaggregat ist, begeistert der freisaugende VR6 mit linearer Kraftentfaltung, seidenweichem Vibrationsverhalten und sonorem Klang. Ein Sechszylinder gehört in dieser Klasse buchstäblich zum guten Ton.
Eigentlich wollte VW den Atlas auch mit TDI-Motoren anbieten; der Diesel-Skandal hat die Marke jedoch derart erschüttert, dass eine Markteinführung in absehbarer Zeit nicht zur Debatte steht.
„Wir glauben an eine elektrische Zukunft“, heißt es dazu bei VW in Nordamerika. Was die Frage aufwirft, warum man nicht einmal für eine Hybrid-Variante des Atlas ausreichend Marktpotential identifizieren konnte?
Komfort und Fahrverhalten können der Konkurrenz locker standhalten: Der Atlas ist nicht nur ausgesprochen leise, sondern auch komfortabel gefedert.
Dennoch ist die Fahrdynamik überlegen: Seine Lenkung funktioniert präziser als bei der Konkurrenz, und der Aufbau lässt sich auch auf holprigen Pisten kaum aus der Ruhe bringen. Im Grenzbereich geht er ins Untersteuern über und lässt sich dabei gut beherrschen.
Von innen wirkt der Atlas wie ein schwerer Wagen: Man steigt aufrecht ein, die Armaturentafel erstreckt sich weit in die Horizontale, die Platzverhältnisse sind auch in der zweiten und dritten Reihe großzügig.
Die mittlere Sitzbank kann variabel verschoben werden, der Einstieg nach ganz hinten, bei den meisten Geländewagen eine Zumutung, geht komfortabel vonstatten. Dahinter steckt ein ansehnlicher Kofferraum.
Das Interieur hebt sich in vielen Details positiv von der Konkurrenz ab – etwa mit dem äußerst schnell reagierenden Infotainment-System und der optional lieferbaren digitalen Instrumentierung mit TFT-Bildschirm.
Die Schalter rasten präzise ein, das Infotainment-System verfügt über Näherungssensoren. Von Luxusambiente kann allerdings keine Rede sein: Die Ziernaht auf der Armaturentafel ist lediglich eingeschäumt, die Dekorleisten können ihren Kunststoffcharakter nicht verleugnen. Premiumumfänge wie ein Head-up-Display oder ein Wifi-Hot-Spot sind erst gar nicht lieferbar.
Und so hat VW ein SUV auf die Räder gestellt, in dem die ähnlich eingepreiste US-Konkurrenz ihren Meister finden könnte. Eine Alternative zum Audi Q7 ist der VW Atlas nicht, aber vielleicht der derzeit beste Explorer. Und damit hätte er seine Zielvorgabe perfekt erfüllt. (ampnet/jm)(Fotos: VW/Auto-Medienportal.Net/Jeff Jablansky)