Dieselkunde Teil 3
Die Rolle des Kraftstoffs
Diesel: Vom Abfallprodukt zum High-Tech-Treibstoff
Über Jahrzehnte war Dieselkraftstoff nicht anderes als Heizöl. Und da dieses in vielen Ländern geringer besteuert wird als Diesel, ließ sich mit den einfachen Motoren früherer Jahre trefflich sparen – wenn auch nicht legal. Das ist längst vorbei. Denn die filigrane Technik moderner Motoren verlangt speziell formulierte Kraftstoffe, damit zum Beispiel Einspritzventile nicht verstopfen oder Hochdruckpumpen nicht vorzeitig verschleißen – von der Einhaltung der Abgasnormen mal ganz abgesehen.
Der Anspruch der Motorenbauer an die Treibstofflieferanten geht sogar noch weiter. Denn standen bei der Frage, wie sich Verbrauch und Schadstoffausstoß von Fahrzeugen weiter senken lassen, bislang neue Motorenkonzepte und Methoden zur Abgasnachbehandlung im Vordergrund, so geraten jetzt die angebotenen Kraftstoffqualitäten immer stärker in den Fokus. Der Diesel selbst wird zu einer wichtigen Stellschraube. Er entscheidet mit darüber, wie sparsam und emissionsarm Autos fahren können. Deshalb haben die Automobilhersteller in der World Wide Fuel Charter (WWFC) gemeinsam ein Anforderungsprofil an künftige Kraftstoffe formuliert. Die über 30 Kriterien gehen deutlich über die gültige europäische Vorschrift DIN EN 590 hinaus. So soll beispielsweise beim Diesel die Cetanzahl (Indiz der Zündwilligkeit) mehr als 55 betragen (EU-Norm: 51), und der Selbstzünder-Kraftstoff sollte möglichst rein sein, damit die immer feineren Bohrungen der Einspritzdüsen nicht verschmutzen. In der Fahrzeugindustrie gilt der Konsens: Leistung, Verbrauch, Langlebigkeit, Motorgeräusch und Emissionsverhalten moderner Dieselmotoren hängen wesentlich auch von der Kraftstoffqualität ab.
Die Basis: Erdöl ist nicht gleich Erdöl
Erdöle weichen in Qualität, Aussehen und spezifischem Gewicht (Dichte) stark voneinander ab. Die Viskosität ist für den Transport und die Verarbeitung eine entscheidende Größe; manche Rohöle sind dünnflüssig und von strohgelber Farbe, manche dickflüssig, beinahe schon fest und tiefschwarz. Erdöle bestehen aus einer Vielzahl von chemischen Verbindungen der Elemente Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H). Zerlegt man Rohöl in seine Elemente, so erhält man 83 bis 87 Gewichtsprozent Kohlenstoff, 11 bis 15 Gewichtsprozent Wasserstoff, bis zu 6 Gewichtsprozent Schwefel sowie Spuren von Sauerstoff, Stickstoff und Metallen. Insbesondere die Schwefelverbindungen bereiten für die Kraftstoffherstellung und Anwendung Probleme.
Die Herstellung: Ein Balanceakt gegensätzlicher Anforderungen
Die Herstellung von Kraftstoffen erfolgt in Raffinerien. Durch Destillation, Konversion und Nachbehandlung entstehen aus Erdöl zahlreiche Mineralölprodukte. Dieselkraftstoff besteht aus rund 300 Kohlenwasserstoffgruppen. Die wichtigsten Komponenten sind dabei Paraffine, Naphtene, Aromate und Olefine. Wie leichtes Heizöl wird der Dieselkraftstoff bei der Rohöldestillation im „mittleren“ Siedebereich (180°C bis 360°C) gewonnen und gehört daher zum so genannten Mitteldestillat. Der Schwefelgehalt beider Kraftstoffe unterscheidet sich allerdings beträchtlich: Seit Anfang 2003 darf Dieselkraftstoff maximal 10 ppm Schwefel haben, während beim Heizöl maximal 0,20 Gewichtsprozent zulässig sind.
Die Herstellung von Dieselkraftstoff war in der Vergangenheit verhältnismäßig einfach. Ein bei der Rohöldestillation anfallender Siedeschnitt wurde als Dieselkraftstoff vermarktet, ein weiterer als Benzin (Koppelproduktion). Allenfalls im Winter wurden dem Kraftstoff noch Additive zur Verbesserung des Kälteverhaltens zugefügt. Dies hat sich aus folgenden Gründen grundlegend verändert:
• Die zu verarbeitenden Rohöle sind vielfältiger geworden.
• Die Dieselnachfrage kann nicht allein aus Destillat-Gasöl gedeckt werden.
• Schwere Kraftstoffkomponenten müssen in der Raffinerie in leichte umgewandelt
werden.
• Die Koppelproduktion erfordert den Absatz von Ottokraftstoffen und Mitteldestillate
in einem bestimmten Verhältnis. Da der Heizölabsatz rückläufig ist, muss auch dieser Anteil durch entsprechende Umarbeitung als Diesel abgesetzt werden.
• Die Anforderungen der Anwendung sind drastisch gestiegen. Komplexere Motor
technik sowie Verbesserungen im Abgas- und Komfortverhalten erfordern High-Tech-Kraftstoffe.
Dabei haben Verbesserungen bestimmter Eigenschaften unerwünschte Folgen bei anderen. So könnte der Raffineur zum Beispiel durch Wahl eines hohen Paraffinanteils den Forderungen nach einer hohen Zündwilligkeit und besserem Emissionsverhalten entgegenkommen, gleichzeitig wird dadurch aber das ebenfalls geforderte gute Kälteverhalten verschlechtert.
Moderner Diesel: Aufwändig im Labor entwickelt
Durch komplizierte Optimierung der Kraftstoffe im Labor werden die Anforderungen aus Produktion und Fahrzeugtechnik harmonisiert. So besteht der Premium-Kraftstoff Shell V-Power Diesel aus drei Hauptbestandteilen: einem ausgesuchten Basiskraftstoff, einer synthetischen Komponente sowie einem speziellen Additivpaket. Die synthetische Komponente „Shell Gas-to-Liquids“ (GTL) mit einer hohen Cetanzahl von über 70 ist kristallklar. Sie wird in einem speziellen Verfahren aus Erdgas hergestellt.
Additive sind chemische Zusätze zur Verbesserung der Eigenschaften von Dieselkraftstoff. Dazu gehören:
• Zündbeschleuniger (Erhöhung der Cetanzahl)
• Oxidationsinhibitoren (Verbesserung der Haltbarkeit)
• Antischaum-Additive (Verhinderung störender Schaumbildung beim Tanken)
• Anti-Smoke-Additive (vollständigere Verbrennung von Kohlenstoffpartikeln)
• Detergents/Dispersants (Verminderung von Ablagerungen im Einspritzsystem).
Biodiesel: Beimischung bis fünf Prozent in vielen Märkten üblich
Die Europäische Union hat in ihrer Biokraftstoff-Richtlinie festgelegt, dass alle Mitglieds¬staaten bis zum Jahr 2005 zwei Prozent und bis 2010 sogar 5,75 Prozent des Kraftstoffverbrauchs durch Biokraftstoffe ersetzen sollen. Dies kann durch Nutzung der Biotreibstoffe in Reinform oder als Beimischung erfolgen. In vielen Ländern enthält der Diesel an den Zapfsäulen bereits fünf Prozent Biodiesel.
Biodiesel ist ein Kraftstoff mit ähnlichen Eigenschaften wie Dieselkraftstoff. Im Gegensatz zum konventionellen Dieselkraftstoff wird er jedoch nicht aus Erdöl, sondern aus Pflanzenölen oder tierischen Fetten gewonnen. Biodiesel wird deshalb als ein erneuerbarer Energieträger bezeichnet. Chemisch handelt es sich um Fettsäuremethylester (FAME).