Der Jeep steht ihm mit den senkrechten Lamellen im Kühlergrill ins Gesicht geschrieben: Der KGM Torres gibt sich als kantiger Offroader, doch unter der rustikal wirkenden Schale steckt mehr Show als Gelände. Macht nichts – denn dieses 4,70 Meter lange SUV hat andere Qualitäten. Und das betrifft nicht nur die Kampfpreise, mit denen das koreanische Unternehmen viel Auto fürs Geld bietet, was so manchem Mitbewerber in der Liga von Ford Kuga, Toyota RAV4 oder Mazda CX-60 die Schamesröte ins Gesicht treiben könnte.
KGM steht für KG Mobility. Dahinter verbirgt sich der frühere SsangYong-Konzern, der 2020 in die Insolvenz schlidderte, von einem südkoreanischen Stahlgiganten gerettet und umgetauft wurde. „Mobility“ klingt nach Zukunft, das Produkt wirkt dagegen eher wie eine Hommage an alte Werte – mit klaren Kanten, viel Platz und einem robusten Auftritt.

Ein Hingucker ist vor allem die silbrige C-Säule, tatsächlich das Erkennungsmerkmal des Torres. Dazu ein eigenwilliger Knick im Dach, schmale Seitenfenster, die wie Schießscharten wirken. Typisch asiatisch wirkt der leicht protzige Auftritt mit dicken Plastikplanken an den Flanken, auffälligen Zierleisten und martialischen Rädern bis 20 Zoll. Ob das wirklich alles „Powered by Toughness“ ist, wie KGM vollmundig verspricht, fragt man sich spätestens beim Blick auf die Heckklappe.
Mit ihrer angedeuteten Reserveradmulde und dem seitlichen Griff erinnert sie zwar an den Land Rover Defender, öffnet sich aber wie bei einem ganz normalen Kompaktwagen – nach oben. Wer sich zu nah heranwagt, sollte also auf das eigene Kinn acht geben. Immerhin: Hinter der Klappe verbirgt sich ein Kofferraum von stattlichen 685 Litern – mit flachen Seitenwänden, praktischen Staufächern im Unterboden und Platz für Kühltruhe oder Kinderwagen. Im Unterboden lassen sich Kleinteile verstauen, sogar das Gepäckrollo findet dort Platz. Auch in der zweiten Reihe mangelt es weder an Knie- noch Kopffreiheit. Selbst große Passagiere finden bequem Platz – und das ist in dieser Preisklasse nicht selbstverständlich.
Im Cockpit fällt der Blick direkt auf das Lenkrad – ein ovales Kunstwerk aus Kunstleder, Klavierlack, grauem Kunststoff und etwas chromfarbenem Plastik. Eine Komposition, die den Eindruck erweckt, als hätten sich die Designer nicht auf ein Konzept einigen können. Etwas weniger wäre hier mehr gewesen. Dafür bietet der Innenraum viel Luft über und insgesamt ein Raumgefühl, das an größere Klassen erinnert. Die Sitze sind bequem, die Polster großzügig, die Verarbeitung ordentlich. Sogar ein Hauch von Luxus liegt in der Luft, jedenfalls bis man genauer hinsieht: Die Multimedia-Ausstattung wirkt mit ihren groben Grafiken eher retro als modern. Drei Bildschirme sind es immerhin – zwei davon Touchscreens, einer für die Klimaautomatik. Audi lässt grüßen, auch wenn die koreanische Umsetzung nicht ganz so filigran daherkommt.
Dafür sind die Schaltflächen groß genug, um sie auch während der Fahrt zu treffen, die Bedienung intuitiv, die Menüs flach strukturiert. Das Digitalcockpit mit 12,5 Zoll ist übersichtlich, der zentrale Bildschirm tut, was er soll. Auch die ergonomische Orientierung zum Fahrer hin wirkt durchdacht. Wer allerdings klassische Dreh- oder Kippschalter erwartet, wird enttäuscht – auch hier muss man sich mit Touchfeldern arrangieren.
Unter der Haube werkelt ein 1,5-Liter-Turbobenziner mit 163 PS, positiv formuliert, unauffällig und gemütlich. In Wahrheit fehlt ihm der Biss. Er stammt aus dem kleineren Korando, wirkt im über 1,6 Tonnen schweren Torres etwas angestrengt. Beschleunigungen geraten gemächlich, Überholmanöver wollen wohlüberlegt sein. Vor allem bei höherem Tempo wird der Motor laut – und muss sich wohl Mut antrinken. Auf der Autobahn sind Verbrauchswerte über 11 Liter keine Seltenheit, und auch innerorts läuft‘s selten unter acht Litern.
Die Lenkung trägt ebenfalls wenig zum Fahrspaß bei: etwas synthetisch im Gefühl, mit wenig Rückmeldung und einer etwas zu weich abgestimmten Servounterstützung. Dafür bleibt der Torres stabil und gibt sich bei schnellen Ausweichmanövern keine Blöße. Das Fahrwerk ist straff, aber nicht unkomfortabel – ein guter Kompromiss für den Alltag. Dazu passt auch die überraschend geschmeidige Wandlerautomatik – vor allem beim Rangieren und im Stadtverkehr.
Ob er allerdings auch Naturfreunde sowie Jäger, Förster oder Landwirte mit seinem Allradantrieb und Offroad-Optik ansprechen kann, bleibt abzuwarten. Echte Geländetalente sucht man jedenfalls vergebens: Keine Sperren, keine Untersetzung, nur ein angedeuteter Unterfahrschutz. Mehr als 1,5 Tonnen Zuglast sind ebenfalls nicht drin. Und mit nur 60 Kilo zulässiger Stützlast auf der Anhängerkupplung könnte selbst ein Fahrradträger mit zwei E-Bikes zur Belastungsprobe werden.
Was dem Torres jedoch an Dynamik und Prestige fehlt, macht er mit seinem guten Preis-Leistungs-Verhältnis wett. Aktuell startet das SUV als Sondermodell „Nomad“ ab 28.990 Euro. Dafür gibt’s nicht nur eine nahezu komplette Sicherheitsausrüstung – von Notbrems- und Totwinkelassistenten über Spurhalte- und Müdigkeitswarner bis zur Verkehrszeichenerkennung – sondern auch 18-Zoll-Alus, LED-Schenwerfer, Smart-Key-System, Klimaautomatik sowie Sitz- und Lenkradheizung. Das Auto ist kein Blender, sondern ein Fahrzeug für Menschen, die lieber Platz und Preis als Prestige und Power in den Vordergrund stellen. (we/aum)(Fotos: Frank Wald via Autoren-Union Mobilität/KGM)