Als das Modell 1948 auf dem Markt kam, war das Verdeck nur optional erhältlich. Ebenfalls zwei dünne, mit Kunstleder bezogene Polster, die Lehne und Sitzfläche des Beifahrersitzes bilden. Der selbstverständlich nicht verstellbare Fahrersitz vertraut auf das identische übersichtliche Gebinde beider Komponenten.
Wenn der Fahrer nicht gerade ein Hobbit ist, erlebt er die Sitzposition so bequem wie lange Unterwäsche aus Holzwolle.
Es gibt einen Zündschlüssel, einen Ganghebel, zwei weitere zum Zuschalten von Untersetzungsgetriebe und Allradantrieb, eine Tankanzeige, einen Lichtschalter. Das große Lenkrad verfügt über einen Kranz aus schwarzem Kunststoff, das den Durchmesser eines Trinkhalms aufweist.
Zaghaft und hustend entlässt er erst einmal eine Wolke unverdauter Kohlenwasserstoffverbindungen aus dem fingerdünnen Auspuffrohr, die jedes Umweltministerium spontan in Schnappatmung versetzen kann. Nach einer schicklichen Warmlaufphase darf der Choke wieder gedrückt werden. Dann brummt das archaische Maschinchen erstaunlich ruhig und reagiert artig auf die Gasbefehle.
Diesen Geist des totalen Minimalismus strahlt der 65 Jahre „Landy“ mit jeder Niete und Ritze unverändert aus. Servolenkung? – Was ist das?, Heizung? – Was ist das? Die Klimatisierung des Innenraums ist in drei Stufen möglich. Stufe 1: Seitenscheibe beiseite schieben. Stufe 2: Obere Hälfte der Türe mit Seitenscheibe durch Lösen der beiden Haltebolzen komplett entfernen. Stufe 3: Zelt, pardon, Verdeck abbauen.
Ach ja, wem das immer noch nicht reicht, darf die Frontscheibe nach vorne auf die Motorhaube klappen.
Es gibt keinen Wert für den Sprint aus dem Stand auf Tempo 100, denn die Höchstgeschwindigkeit ist bei 90 km/h erreicht. Im Gelände zeigt der Oldie freilich noch immer Fähigkeiten, die den meisten aktuellen SUV die Schamesröte ins Gesicht treiben kann.
Das Fazit dieses ungewöhnlichen Tests führt nicht zum klassischen Resümee wie bei einem zeitgenössischen Auto. Es gerät zur philosophischen Betrachtung. Die auf das absolut Wesentliche reduzierte Form eines Automobils ermahnt zur Demut und Bescheidenheit. Nach einer langen Wanderung oder andauernden körperlichen Anstrengung schmeckt ein frisches Bauernbrot mit Butter, Salz und etwas Schnittlauch schließlich mindestens so gut wie raffiniertes Sternemenü. Kein Auto könnte die Binsenweisheit „Lieber schlecht (einfach) gefahren, als gut gelaufen“ besser illustrieren, als der alte Landy.
Der einfache Aufbau von Chassis und Technik qualifizieren frühe Landys als Objekte der Begierde für Oldtimerfans. Der Hersteller hat nach dem Produktionsende des Defenders die Initiative „Reborn“ ins Leben gerufen.
Das Unternehmen kauft auf der ganzen Welt Fahrzeuge der ersten Serie auf, vorausgesetzt, der Rahmen und die Spritzwand sind noch intakt. Auf der ehemaligen Produktionsstraße des Defenders schaffen Spezialisten eine Mischung aus Restauration und kompletten Neuaufbau, die Land Rover offiziell für Preise zwischen 75 000 und 100 000 Euro verkauft.
Für Kenner ein Schnäppchen. 30 neue Serie-1-Landys haben bereits einen Liebhaber gefunden. Unter Sammlern ist das Modell fast so gesucht wie eine „Blaue Mauritius“ unter Philatelisten.
Nach der persönlichen Begegnung ist diese Begeisterung nachvollziehbar. Der Land Rover/Defender hat endgültig den Weg zur Unsterblichkeit eingeschlagen. (ampnet/tl)(Fotos: Stefan Baldauf /Car-Editors.Net)
Daten Land Rover Serie 1
Länge, Breite, Höhe (m): 3,57, 1,59, 1,95
Radstand (m): 2,02
Motor: R4, 1997 ccm
Leistung: 38 kW / 52 PS bei 4000 U/min
Max. Drehmoment: 137 Nm bei 1500 U/min
Kraftübertragung: Vier-Gang-Schaltgetriebe, 1., 2. Gang unsynchronisiert, Untersetzungsgetriebe, zuschaltbarer Allradantrieb
Beschleunigung 0 auf 100 km/h (s): –
Höchstgeschwindigkeit (km/h): 90
Durchschnittsverbrauch auf 100 km (l): ca. 12,5
CO2-Emissionen: –
Effizienzklasse: –
Gepäckraumvolumen (l): k. a.
Leergewicht (kg): 1224
Zuladung (kg): 453
Tankvolumen (Imperial Gallon/l): 10/45
Preis: 1951: ab 500 Pfund, rund 5000 D-Mark
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